PlatonAristotelesEpikurSpinozaLockeKantHegelMarxAdornoMarcuseBloch

Archiv Logo    Titel Logo

Erinnyen Aktuell ButtonPhilosophieseite ButtonSchuledialektik ButtonVereindialektik ButtonBuchladen ButtonWeblog ButtonRedakteur Button


startseite button
buton 2004
2005 Button
2006 button
2007 button
Impressum Button

Newsletter Button

Feed Button

 

2005 Titel

1.6.2005

"Kritik der Wertphilosophie als Ideologie I " (Lotze)
 Abstrakt

(Hauptthema des Erinnyen Nr. 16)

Die Hochkonjunktur des philosophischen Wert-Begriffs täuscht über seine Widersprüchlichkeit hinweg. Er dient dazu, Schulfächer zu gründen und imperialistische Kriege zu legitimieren. Eine gründliche Kritik dieses Terminus muss auf seine Genesis zurückgehen und die Wertphilosophie Hermann Lotzes reflektieren, um „moralische Werte“ als Ideologie, verstanden als notwendig falsches Bewusstsein zur Herrschaftssicherung, kritisieren zu können.

    Lotze reagiert mit seiner Wertphilosophie auf den Zusammenbruch des deutschen Idealismus, der zugleich ein Scheitern der bürgerlichen Hoffnungen signalisiert. Er arbeitet mit an der „Zerstörung der Vernunft“ (Lukács), die im 20. Jahrhundert der Nazi-Ideologie vorbereitet. Seine eklektische Ontologie, sein teleologischer Idealismus und seine dogmatische Theologie gründen in seinen geistigen Bedürfnissen, können deshalb keine Objektivität beanspruchen und vergessen die Standards des Philosophierens, die in der klassischen Philosophie von Kant bis Hegel erreicht waren.

       Wie jede Apologie zerstört sie mehr ihren theoretischen Gegenstand, als dass sie ihn vor der Kritik absichert. Das zeigt sich bei Nietzsche, der den moralischen Wertbegriff Lotzes übernimmt und populär macht, indem er zugleich zu einer „Umwertung aller Werte“ schreitet, die dann direkt vom Faschismus adaptiert werden konnten. Werte sind nicht rational begründbar, wer sie geltend machen will, muss Gewalt anwenden. Das ständig zunehmende Wertegequatsche von Lotze bis heute zeigt, dass dieser Terminus ein Konstituenz der ideologischen Manipulation geworden ist.

Zu den Erinnyen Nr. 16

Divider

Fiktion wird Wirklichkeit

Die Verschleppung eines Deutschen durch die CIA und die „große Kooperationsbereitschaft“ der deutschen Regierung

 Etwas ist faul im Staate Deutschland. Galt früher für einzelne Politiker die Losung: Man kann das Grundgesetz nicht ständig in der Jackentasche mit sich herumtragen, so werden heute Verfassungsartikel, die einen stören, wie der Schutz der Menschenwürde, Folterverbot, Auslieferungsverbot und Garantien eines rechtsstaatlichen Verfahrens einfach auf den Müll entsorgt. Recht wird durch Rhetorik ersetzt, Verantwortung durch autoritäres Gehabe weggewalzt, Verbrechen durch Kungelei mit dem Hegemon gedeckt.

 In ihrer Rezension über „Das Ende des Rechtsstaats“ haben die „Erinnyen“ die Befürchtungen von Jean-Claude Paye vorgestellt: die Terrorismusgefahr, die durch imperiale Politik selbst erzeugt wird, dient zum Anlass den Rechtsstaat abzuschaffen und einen Ausnahmezustand zu etablieren, in dem die Menschen und Bürgerrechte nicht mehr gelten. Man braucht nur Zeitungslesen und die Wirklichkeit holt die Befürchtungen ein. Zur Illustration der Thesen des Buches von Paye hatte der Rezensent ein konkretes Beispiel erfunden. Es vergeht noch nicht mal ein Monat und die Fiktion wird zur Wirklichkeit: Der Mann heißt Khalad al-Masri. Er hat einen deutschen Pass und wollte einen Kurzurlaub in Makedonien machen. Nach der Grenze wird er aus dem Bus geholt und in einem geheimen Gefängnis verhört und gefoltert. Nach ein paar Wochen wird er der CIA übergeben, zusammengeschlagen und betäubt nach Afghanistan gebracht, wo er ebenfalls gefoltert wird. Nach fünf Monaten vergeblicher Verhöre wird er in Albanien ausgesetzt, so dass er nach Deutschland zurückkehren kann. Man hatte sich im Namen geirrt, er hieß so „ähnlich“ wie ein gesuchter Terrorist!

 Kurz vor seiner Freilassung wird der damalige deutsche Innenminister in einem vertraulichen Gespräch von dem amerikanischen Botschafter unterrichtet. Schily schweigt bis heute, er unternimmt nichts. Inzwischen ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft wegen Entführung, Körperverletzung usw. Auch die bürgerlichen Medien, die erst jetzt ein großes ‚Geschrei machen, nachdem die „Washington Post“ darüber berichtete, haben nichts darüber geschrieben, obwohl Amnesty International schon lange auf den Fall aufmerksam gemacht hat. (Leider habe ich auch nichts in „Indymedia“ darüber gelesen.) Erst jetzt wird das Thema zum Skandal hochgepuscht, weil ein Prominenter darin verwickelt ist und man der alten Regierung noch einen Fußtritt hinterher geben möchte.

 Die US-Außenministerin Condoleezza Rice bestritt, „dass die USA Folter zuließen“ (Zeit.de, 49/2005, v. 5.12.05). Das scheint auf den ersten Blick eine freche Lüge der Großmachtpolitikerin zu sein. Doch dahinter steckt eine Äquivokation im Begriff Folter. Die USA erkennen die Definition von Folter der Vereinten Nationen nicht an (siehe dazu unseren Artikel über Folter), sondern basteln sich einen eigenen Begriff von Folter zurecht. Danach ist Folter, wenn man einen wehrlos gemachten Menschen die Glieder zerquetscht, ihn mit glühenden Eisen traktiert oder ihn die Haut abzieht. Und mit diesen Methoden ist al-Masri tatsächlich nicht gefoltert worden. Er hatte keine äußerlich sichtbaren Wunden, als er gestern im Fernsehen auftrat. Wenn man dagegen einen Gefangenen den Schlaf entzieht, ihn den Kopf unter Wasser drückt, so dass er Todesangst bekommt, ihn in schmerzhaften Körperstellungen fixiert, ihn unterkühlt oder mit überlauter Musik mürbe macht, dann ist das für die US-Administration keine Folter, sondern eine „gesetzmäßige Waffe“, um Terroristen zu besiegen. Wie in Orwells 1984 heißt also bei der US-Politikerin Rice in Neusprech, „dass die USA Folter nicht zulassen“, dass sie im Klartext Menschen foltern.

 Noch perfider ist die Aussage von Rice, die Terroristen fallen nicht unter das Recht, weil sie dieses nicht anerkennen würden. Jeder gewöhnliche Kriminelle erkennt das Recht nicht an: Nach ihrer These wäre er also vogelfrei. Recht ist anscheinend nur für den braven Staatsbürger da, der es nicht bricht – eine irre Verdrehung. Tatsächlich dient das Recht der Sicherung des Privateigentum und seiner Geschäftsbedingungen, es ist also gegen die erlassen, die sich irregulär bereichern wollen. Nach Rice dagegen ist es nur ein wirkungsloses Ideal. Das ist anscheinend die Meinung der Bush-Administration, die sich dadurch selbst als kriminelle Vereinigung outet. Der praktische Beleg für diese Qualifizierung ist der Krieg gegen den Irak zum Zwecke des Öldiebstahls. Nur wenn man die eigene und internationalen Rechtsgrundsätze als wirkungsloses Ideal ansieht, so wie die Extremisten aller Seiten, wird dieser Raubkrieg legitimierbar, ebenso die Folter ihrer gewaltbereiten Gegner und von Unschuldigen, die zufällig wie ein Terrorist heißen. (Laut Spiegel bzw. Washington Post fanden über Deutschland 437 geheime Flüge statt, ca. 3000 Gefangene wurden in Folterzentren verschleppt, wovon ca. 27 erwiesener Maßen unschuldig waren und dennoch gefoltert wurden.)

 Dass deutsche Politiker wie Schily sich mit seiner „großen Kooperationsbereitschaft“ an den kriminellen Machenschaften der US-Administration beteiligt haben, obwohl in der Propaganda  solche Praktiken und der Irakkrieg abgelehnt wurden, lässt nichts gutes für dieses Land ahnen. Die neue Regierung übernimmt die Schily-Richtung des alten Kabinetts und macht bisher einen auf Vertuschung und Nichtwissen. Selbst die Opposition hängt sich nur lustlos an den plötzlichen Medienrummel. So spricht Ströbele von „folternahen Praktiken“, obwohl er als Jurist doch die genaue Definition von Folter kennen müsste. Die Leute werden gefoltert, der „Krieg der Werte“ wird geführt, indem man seine eigenen „Werte“ abschafft. Die gleichen Politiker, die mit ihren Antiterrorgesetzen, z.B. mit den Auslieferungsabkommen eigener Staatsbürger an die USA, den Rechtsstaat untergraben haben, schreien jetzt nach einen Untersuchungsausschuss, weil die USA nicht den deutschen Amtsweg eingehalten haben.

 Andererseits rufen die Extremisten aller Couleur, wenn sie überhaupt diesen Kommentar lesen: Das haben wir doch schon immer gesagt, Recht ist nur ein Alibi für die Kapitalinteressen. Dem steht aber entgegen, dass das Kapital selbst einen Rechtszustand benötigt, um gedeihen zu können. Unter chaotischen Rechtsverhältnissen wie etwa in Somalia kann man vielleicht hier und da einen Extraprofit realisieren, aber auf Dauer keine Kapitalakkumulation zustande bringen. Das hat anscheinend der US-Senator John McCain von der Republikanischen Partei erkannt und ein Antifoltergesetz in den Kongress eingebracht, das auch „grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Gefangenen“  (FAZ.de, vom 5.12.05) unzweideutig verbietet. Dagegen will der Präsident Bush evtl. sein Veto einsetzten. Die FAZ schreibt dazu: „Bush würde als jener amerikanische Präsident in die Geschichte eingehen, der gegen ein umfassendes Folterverbot sein Veto einlegt und zugleich beteuert, die Vereinigten Staaten folterten nicht.“

 Wer sich letztlich durchsetzt, die Bush-Administration dort und die FAZ hier, die ebenfalls gegen „weiche Gesetzestreue“ argumentiert, oder der Senator McCain dort und die Kritiker der Regierungsmauschelei mit Folterbuben hier, das entscheidet im Konkurrenzkampf der kapitalistischen Demokratie der Aufschrei in den Medien und mögliche Proteste von unten, die ich allerdings nicht sehe. Anscheinend kann sich keiner vorstellen, dass sein Name ebenfalls verwechselt wird. Aber es ist heute wahrscheinlicher in die Mühlen der Terrorbekämpfung zu geraten als von Terroristen attackiert zu werden. Wenn die Gefahr durch die eigene Regierung größer ist als durch islamistische Terroristen und Faschisten, dann muss man sich auf diese Gefahr einstellen und z.B. in den Bürgerbewegungen und linken Gruppen mehr Wert auf konspirative Methoden legen, eigene Daten vor dem Zugriff des Staates sichern und jede Zusammenarbeit mit den Antiterrorkräften ablehnen. 

 Die Wirklichkeit hat bekanntlich immer die Tendenz, sich zum Schlechten zu wenden. Das aber sind allemal, wie die FAZ es formuliert, „die Werte und Interessen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu verteidigen“. Bei 20 % Profit wird das Kapital rege, bei 100 % kriminell... (T.J.Dunning, 1860)

Zurück zum Anfang des Kommentars    

Divider

Hier können Sie Ihre Meinung äußern,
         einen Beitrag in unser Gästebuch fomulieren,
              Kritik üben oder
                    mit uns Konrakt aufnehmen...

Geben Sie uns Ihre Meinung

 

 

 

 

 

Impressum

Copyright © Alle Rechte liegen bei den Erinnyen. Näheres siehe Impressum.
Datum der letzten Korrektur: 25.09.2008