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2006 Titel

Weblog-Eintrag    19.10.06

Prekarismus und Hunger,
die Atombomben und der Tod

Es wird alles immer schlimmer, hat ein Denker des 19. Jahrhunderts prophezeit. Seine Gegner haben seine enttäuschten Hoffnungen, die das Schlimmste verhindern sollten, immer wieder als Argument gegen ihn herausgestellt, aber seine Prognosen innerhalb der bestehenden Gesellschaft wohlweislich verschwiegen.

Wie das Schlimme sich zum Schlimmeren wendet, war in den letzten Tagen in den Medien zu erfahren. Da macht ein verelendete Land einen ersten nur halb gelungenen Atombombentest, obwohl auch ohne Atombombe der Krieg heute unendliches Leid erzeugt, wenn man die letzte Meldung über die 650 000 Tote im Irakkrieg betrachtet; da wird gemeldet, dass es 850 Millionen Menschen auf der Erde gibt, die hungern; da stellt eine Studie fest, in dem Deutschland der Reichen leben acht Prozent der Menschen in prekären Situationen, also unter dem Existenzminimum oder an dessen Rand mit entsprechendem Bewusstsein.

Über das Prekariat

Worte machen Politik, vor allem soziologische Begriffe, wie jener der Unterschicht, der willkürlich zu gebrauchen ist zu anderen Schichten und nur das Interesse der Untersuchenden ausdrückt, seine Ergebnisse zu präformieren. Doch selbst so unkritisch benutzter Begriff wie der einer sozialen Schicht reicht in dem ideologieverseuchten Geraune der bürgerlichen Medien zur Provokation. Laut Studie der „Friedrich Ebert Stiftung“ leben 8% der Deutschen als „Abgehängtes Prekariat“. Was das ist, beschriebt die Studie ohne Begründung so: „mit Abstand größte finanzielle Unsicherheit“, „Schulden“, „kaum Wohneigentum“, „besonders starke Zukunftssorgen“.

Für Münterfering (SPD-Arbeitsminister) „gibt es keine Ober- und Unterschichten hier“, stattdessen beschwört er die eine Volksgemeinschaft, die er „nicht aufteilen“ will. Er setzt der Willkür der Soziologen,  die immerhin ein Problem thematisieren, seine eigene begriffliche Willkür entgegen, nach der höchstens einige Menschen Schwierigkeiten hätten, so dass man ihnen helfen müsse. Dieser Individualisierung sozialer Probleme schließt sich auch der CDU-Fraktionschef Kauder an, wenn er den Begriff „Unterschicht“ ablehnt und lieber von Menschen mit sozialen und Integrationsproblemen“ spricht. (Financeltimes Deutschland - http://ftd.de vom 17.10.06)  Die Reaktion auf diese Probleme wird dann auch nicht in der Wirtschafts- und Klassenstruktur der deutschen Gesellschaft gesehen, sondern auf die Atomisierung der Menschen abgezogen.

Die auf die Marktwirtschaft eingeschworenen Politiker beklagen bei den „Unterschichten-Problem“ (Kurt Beck, FAZ.NET v. 15.10.06) das nachlassende Streben, „sich um sozialen Aufstieg zu bemühen“. Entsprechend lautet ihre Losung: „Fordern und Fördern“, d.h., diese Menschen in prekärer Lage sollen sich mit Leistungswissen um den Verkauf ihrer Arbeitskraft bemühen, dann werden sie auch gefördert. Machen sie dies nicht (oder können sie es nicht), dann drohen alle die repressiven Maßnahmen, die bereits beschlossen sind oder noch diskutiert werden: von der Kürzung der Stütze (Hartz IV), über ein Urlaubsverbot bis hin zum Arbeitszwang. Tatsächlich geht es aber nicht um die „Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess“, die Fanatiker der Marktwirtschaft kennen ihr System gut genug, um zu wissen, dass Vollbeschäftigung in Zeitalter der Automatisierung und der ungehemmten Globalisierung nur möglich ist nach einer erneuten Zerstörung Deutschland mit folgendem Wiederaufbau – falls dann noch jemand in diesem Teil der Erde lebt. Tatsächlich geht es um die Kürzung der Sozialkosten – alles andere ist propagandistische Absicherung.

Auch die oppositionelle Linke in Bundestag macht das propagandistische Spiel um die Lösung des Armuts- und Arbeitslosenproblem mit, indem sie eine mögliche Lösung durch die Politik unterstellt. So hält Lafontaine (Die Linke) die SPD für verantwortlich an der gegenwärtigen Situation, sie habe die „asoziale Arbeitsmarktpolitik“ von Schröder unterstützt. Das heißt doch: Das Wirtschaftssystem ist gut, man muss nur richtige Politik machen, als ob bei offenen Märkten die Politik auch nur einen Arbeitsplatz in der „freien“ Marktwirtschaft schaffen könnte. Bei 200 00 offenen Stellen und 4 000 000 Arbeitslosen wird solche ein Gerede zur Talkshow für naive Gemüter, die sich verblenden lassen wollen, weil sie noch zu der guten Hälfte der Bevölkerung gehören: „etablierte Leistungsträger“, „kritische Bildungseliten“, zufriedene Aufsteiger“, „engagiertes Bürgertum“ und Leistungsindividualisten“ (58 % insgesamt).

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Der Hunger

Das Hungerproblem in der Welt scheint die deutschen Probleme mit ihrem Prekariat in den Schatten zu stellen. Schließlich Hnger bei uns niemand. Doch Elend ist immer relativ. War der Genuss das Privileg des Adels im Mittelalter, so erscheint heute dieser Genuss erbärmlich und schäbig angesichts der gegenwärtigen Vielfalt und Differenziertheit möglicher Lust. Andererseits kann jemand, der ohne Geld in unsicherer Lebenssituation an den Schaufenstern der Warenwelt vorbeigeht, seelisches Schwierigkeiten über die verpassten Möglichkeiten empfinden.

Für die Hungernden Afrikaner dagegen wäre ausreichend Essen und Trinkwasser überhaupt erst einmal die Bedingung, auf etwas anderes als dieses Lebensnotwendige zuz spekulieren. Eine Weltwirtschaft, die diese Menschen mit Gewalt aus ihrer Subsistenzwirtschaft herausriss und sie zwang, ihre Arbeitskraft auf dem Markt zu verkaufen, lässt sie sogleich wider fallen, wenn es das Geschäft erfordert. Das automatische Subjekt, das sich anarchisch durch das Aufeinanderprallen der Konkurrenten geltend macht, das deshalb unbeherrschbar ist, saugt Millionen in die Fabriken, um sie auszubeuten, und spuckt sie wieder aus, wenn sich das Geschäft nicht mehr lohnt.

Als ich 1993 meine Einführung in die „Kritik der politischen Ökonomie“ veröffentlichte, wählte ich als Titelbild eine Collage von Schlagzeilen, die ich der Wirtschaftspresse entnommen hatte. Ein dieser Schlagzeilen lautet: „Am Welternährungstag hungern 800 Millionen Menschen“. An diesem Tag im Jahre 2006 hungern 850 Millionen. Der Hunger hat sich also verschlimmert. Angesichts dieser Tatsachen ist die Forderung des Welternährungsgipfels in Rom von 1996, die Zahl der Hungerndes bis 2015 zu halbieren, illusionär. Die bürgerlichen Politiker an der Macht sind überhaupt nicht in der Lage, diese Forderung durchzusetzen. Da sie dies wissen oder doch erahnen, machen sie die üblichen konservativen Vorschläge zur individuellen Hilfe. So schlägt Bundespräsident Köhler vor: „Bildung hilft, den Teufelskreis von Armut, Krankheit und Abhängigkeit zu durchbrechen“. (ddp, zitiert nach www.erinnyen.de New Politik v. 15.10.06)
 
Ähnlich verhält es sich mit Hilfsorganisationen wie „Brot für die Welt“, die zu einer neuen Spendenaktion aufgerufen haben, als ob ihre paar Spenden 850 000 000 satt machen könnten. Das Problem wird nicht an der Wurzel angepackt, auch wenn gelegentlich auf „die negativen Folgen des Welthandels mit Lebensmittelns“ gemacht wird, sondern man versucht bestenfalls die Symptome zu lindern oder Sekundärerscheinungen zu kritisieren. Wirklich helfen könnte nur ein geplante Wirtschaftsweise, in der alle Länder aus Solidarität den Hungernden Hilfe leisten. Bevor das eintritt, würden aber die Fanatiker der Marktwirtschaft eher ihre Atombomben abschießen und die Erde vernichten, als auf ihre Eigentumstitel zu verzichten.

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Die Atombombe

Das weiß auch Kim Il Yang, der Diktator in Nordkorea. Deshalb will er seinen despotischen Kommunismus (falls man überhaupt vom Kommunismus reden kann) vor den Amerikanern schützen, indem er selbst sich in den Besitz von Atombomben und Trägerraketen bringt. Er hofft darauf, dass sein verrücktes Regime in Ruhe gelassen wird. Doch diese Hoffnung ist vergebens. Eine Weltwirtschaft, die auf Wachstum geeicht ist, die nur existieren kann, wenn sie expandiert, wird führe oder später auch seine diktatorische Planwirtschaft mit Hunger und exorbitanter Aufrüstung knacken, sei es mit Gewalt, sei es durch „friedliche Koexistenz der Systeme“. Der Besitz der Atombombe in de Hand immer weiterer Kleinstaaten (auch Franz J. Strauß wollte sie einst) ist ein Spiel mit den Weltuntergang.

Auch wenn in unserer Presse zu lesen ist, Kim Il will sie nur zur Drohung, dann gilt doch: eine Drohung ist nur wirkungsvoll, wenn man sie auch gewillt ist einzusetzen. 1962, in der Kubakrise, stand die Menschheit bereits am Rande ihrer Vernichtung. Es ist ein Zufall, dass wir noch leben. Je mehr Staaten die Atombombe haben, um so mehr wird aus der Möglichkeit der Selbstvernichtung eine Wahrscheinlichkeit. Wenn die USA und die Mehrheit der Staatengemeinschaft einschließlich des Sicherheitsrates Nordkorea wegen des Atombombentest verurteilen und den Iran wegen der Vorbereitung zur Bombe kritisieren und Sanktionen beschließen, dann sind bestimmt eigene Machtinteressen im Spiel, aber hier zeigen sich auch letzte Reste der zivilisierenden Rolle der Globalisierung. Doch diese ist keine geplante, zweckgerichtet oder gewollte, sondern ergibt sich zufällig aus der Bewegung des automatischen Subjekts Das sieht man daran, wie die USA zur Atombombe Indiens und Pakistans stehen, nämlich ohne jede Kritik, sogar mit dem praktischen Lob, diese Länder als Atommächte offen anzuerkennen.

Tote

Was heute Krieg heißt, auch ohne Atombomben, zeigt die Untersuchung von US-Forschern. Danach hat der Irakkrieg seit der us-amerikanischen Invasion im März 2003 bis zu 655 000 Opfer gekostet. Gewiss sind darin auch die Toten mitgezählt, die durch entfesselte ethnische, religiöse und terroristische Auseinandersetzung umkamen, also nicht direkt durch die USA und ihre Verbündeten. Die USA sind aber der Auslöser. Sie haben das Land überfallen, ohne ein durchdachtes Nachkriegskonzept zu haben, sie haben Kriegsgründe frei erfunden und mit Folter und Mord ihre Besatzungsmacht durchgesetzt. Und warum das Ganze? Die Ölvorräte gehen zur Neige (vgl. Erinnyen Nr. 17, Rezensionen), die Beherrschung des Iraks sichert die großen noch bestehenden Vorkommen in der Welt. Finanzielle und wirtschaftliche Vorteile aber sind niedere Beweggründe – ein Krieg mit 650 000 Toten ist deshalb juristisch gesehen Mord an diesen Opfern.

Was würde passieren, wenn man in Nordkorea riesige Mengen Öl entdeckte? Ein Atomkrieg um Öl? Es wir alles immer Schlimmer, sagte der berühmte Denker des 19. Jahrhunderts und wollte damit die Menschen provozieren, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, das automatische Subjekt abzuschaffen und die Konkurrenz durch solidarische Beziehungen zu ersetzen. Bisher haben es die herrschenden Klassen verstanden, ihre Katastrophenökonomie zu verteidigen. Es ging nie gut, aber noch leben wir.

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Datum der letzten Korrektur: 25.09.2008